Die besten Werkzeuge für Ihr Wissensmanagement

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Weshalb Sie Ihr Wissen nicht an Computer abgeben können, mit einem guten Werkzeug aber richtig viel Zeit sparen

Interview mit Dr. Mario Schubert, Geschäftsführer der Process Gardening GmbH

Sehr geehrter Herr Schubert, Sie befassen Sich schon seit geraumer Zeit mit Wissensmanagement. Worum geht es da eigentlich?

Wissen zu managen geht im Grunde gar nicht. Wissen ist etwas indirektes. Ich muss es mir erarbeiten. Das einzige, was ich managen kann, sind verifizierte Daten. Daten kann ich sammeln und verifizieren, also überprüfen, ob sie der Wahrheit entsprechen. Erst, wenn es jemand liest und versteht, wird es zu Wissen – es entsteht im Kopf eines Menschen. Darum kann auch niemand dieses Wissen „stehlen“. 

Wenn man Wissen anwendet, wird daraus Können. Auch das kann Dir niemand nehmen. 

Viele wollen dennoch Ihr Wissen „managen“. Was kann man sich also darunter vorstellen, wenn es gut gemacht sein soll?

Die Idee hinter gutem „Wissensmanagement“ muss sein, aufschreibbares Wissen so zu strukturieren, dass es jemand anderes lesen und verstehen kann. Auf diese Art kann ich mir Wissen aneignen.

Oder wie Konfuzius sagt: es gibt drei Arten zu lernen:

  • die edelste ist das Nachdenken,
  • die härteste ist die Erfahrung,
  • die leichteste ist die Nachahmung. 

Wissen gut zu organisieren bedeutet also, Nachahmung zu ermöglichen. Man braucht nicht alles neu zu erfinden – das braucht zu viel Energie und Zeit. Alles selber machen zu wollen hat so manche Firma schon in den Ruin getrieben, auch große. Viele kleinere Firmen dagegen haben das verstanden. Sie entwickeln nicht alles selbst, sie stehen lieber „auf den Schultern von Riesen“

Die Kunst ist es, unendliche Menge an Wissen so zu kondensieren, dass ich die Menge an Wissen bereitstelle, die meine Leute brauchen. Das wirklich Wichtige aufzubereiten in einer Struktur, die ich und meine Mitarbeiter gut verstehen können.

Wie wird eigentlich Wissen erworben?

Viele sagen, man muss das Wissen in sich aufnehmen. Ich sage: Noch besser ist es, das, was ich weiß, ins Tun zu bringen! 

Das hängt freilich etwas vom Lerntyp ab. Manche lernen mehr durchs Hören, andere durchs Lesen, wieder andere durch Anfassen. Die meisten Menschen lernen jedoch mit allen Sinnen. Gut ist es deshalb, gleich ins Tun zu gehen, denn das spricht alle Sinne an. 

Das geht jedoch nur freiwillig. Oder wie Manfred Spitzer sagt: wenn ich etwas lernen muss, wird es hart; wenn ich es will, ist es viel besser; dann habe ich die Begeisterung und Energie, mich anzustrengen. 

Es macht oft auch keinen Spaß, ein Sachbuch von vorne bis hinten zu lesen. Sinnvoller ist es meist, problemorientiert vorzugehen und zuerst diejenigen Kapitel zu lesen, die Dich weiterbringen. 

Und auf welche Arten lässt sich dieses Wissen organisieren?

Ich möchte da vor allem zwei Möglichkeiten nennen: 

Die eine ist, in einem Wissenskatalog alles sauber zu strukturieren. Dieser Ansatz ist sehr themenorientiert.

Ein anderer Ansatz ist problembasiert. Ich entwickle Lösungsvarianten zu Problembeschreibungen. 

Ein Beispiel dafür wären „Häufig Gestellte Fragen“, FAQ.  

Dabei besteht das gewisse Risiko, Dinge doppelt zu erklären. Das ist jedoch auch von Vorteil; denn man kann die Themen untereinander verlinken; die Lösungen sind damit leichter zu finden.

Je mehr Themen und Lösungen ich sammle, desto mehr stellt sich die Frage: Wie strukturiere ich eine unendliche Menge? Jede Organisation, jedes Unternehmen muss für Ihr gesammeltes Wissen eine Struktur finden, die für sie passt.

Oft dagegen erlebe ich bei Wissensmanagement das Problem, dass erst Taxonomien erklärt werden, wie Fachbegriffe etc.. Dadurch springen viele Menschen frühzeitig ab.

Kurz gesagt: Es gibt so viele Arten, Wissen zu organisieren, wie es Menschen gibt. Die Kunst besteht darin, für seine Organisation die richtige Form zu finden.

Das Kernteam, das das macht, sind die Wissensträger. 

Selbst erklären hilft verstehen

Danke für die Erklärung. Die „Wissensträger“ spielen also eine zentrale Rolle. Wie geben diese das Wissen am besten weiter?

Eine schöne Frage! Ein Professor sagte mal: „wenn ich ein Thema richtig verstehen will, halte ich eine Vorlesung darüber.“

Sich zu überlegen „wie bereite ich ein Thema auf, um es anderen zu erklären“ ist die schönste Art, etwas zu begreifen. Der Lehrende begreift es dadurch nochmal neu. Der Lernende kann es aufnehmen und hat die Chance, es ebenfalls zu begreifen. Das ist viel Arbeit. Ein gutes Beispiel dafür ist die Managementtrainerin Vera F. Birkenbihl, die sich intensiv mit gehirngerechtem Lernen beschäftigt hat. Nach ihrer Erfahrung sollte man Inhalte so formulieren dass so viel wie möglich bei Adressaten hängen bleibt. Man muss seine Lehrmethoden ständig verbessern. Am tollsten dabei sind Rückfragen! Diese helfen einem selbst, Sachverhalte besser zu verstehen und zu erkennen. 

Viele sind es dennoch nicht gewohnt, Wissen bewusst zu organisieren. Was ist der Nutzen davon, mit Wissen im Unternehmen aktiv umzugehen?

Wenn ich Wissen gut aufbereitet habe, kann ich mir richtig viel sparen: Zeit, Ausschuss in der Produktion, und letztendlich viel Geld und Ärger. Ich weiß einfach, wie es laufen muss, kann Bewährtes anwenden und brauche es nicht bei jedem Projekt neu zu lernen. 

Im Gesundheitswesen ist das besonders wichtig, denn mit Menschen kann man keine Experimente machen. Darum ist es hier besonders wichtig: Ist das medizinische oder pflegerische Wissen sauber generiert worden? Sind die Zahlen belastbar? Wurden die Studien nach wissenschaftlich anerkannten Standards durchgeführt?

Und wie sieht das in der Praxis aus? Welche Methoden des Wissensmanagements gibt es?

Es gibt zum Beispiel Mindmaps oder Schlagwortstrukturen, sogenannte „Tag Clouds“. Man kann Wissenshierarchien entwickeln, aber auch einen Problemkatalog aufbauen. Wissen lässt sich also nach Problemen oder Fachgebieten strukturieren.

Hilfreich ist hier das Pareto-Prinzip: Mit 20 Prozent des nötigen Aufwands lassen sich 80 Prozent des erwünschten Ergebnisses erreichen. Für die restlichen 20 Prozent braucht man 80 Prozent des Aufwands. So als Faustregel. Es geht einfach darum, das große Ganze zu begreifen und sich nicht in Details zu verlieren. Das Problem bestimmt die Methodik, nicht umgekehrt. Wenn ein Problem keine Detailtiefe braucht, brauche ich mich nicht hineinvertiefen. 

In manchen Bereichen spielen Details dagegen eine große Rolle. Apple zum Beispiel achtet sehr auf Details und hat einen entsprechend guten Ruf. Selber merke ich das auch in der Softwareentwicklung. Oft ändere ich nur Kleinigkeiten, aber es macht was aus. 

Wichtig im Wissensmanagement ist es, hier mit dem Entwickeln der Details die Wissensfortschritte aufzuschreiben und die Struktur iterativ, also schrittweise zu verfeinern.

Kennen Sie dafür Anwendungsbeispiele? Etwa aus der industriellen Produktion, oder aus dem Gesundheitswesen? 

In der Kunststoffindustrie wird zum Beispiel dokumentiert, was sich bei bestimmten Kunststoffen oder Materialien bewährt hat. Wenn ich ein gutes Wissensmanagement habe, kann ich dem Kunden helfen, das richtige Material zu wählen. Ebenso, wenn ich selbst Entscheidungen treffen muss, indem ich aus meinen Erfahrungen Wissen aufbaue.

Die ungeliebte Mühe lohnt sich

Und wo funktioniert es nicht so gut? 

Viele Firmen leisten es sich leider nicht, ein Projekt nach Abschluss bewusst und systematisch auszuwerten – auf Neudeutsch „lessons learned“  oder „briefing – debriefing“. Dieses Vorgehen hat sich bewährt, wird aber trotzdem oft nicht gemacht.

Worum geht es bei diesem „debriefing“?

Es geht einfach darum, dass die beteiligten Mitarbeiter sich darüber austauschen: Was lief gut? Was lief nicht so gut? Und was können wir daraus lernen? Und darüber nicht nur zu sprechen, sondern die Ergebnisse zu dokumentieren und in die bestehende Wissensstruktur einzubauen, die Struktur zu erweitern und verfeinern. 

Ebenso wichtig ist die Nachkalkulation: haben wir was am Projekt verdient?

Prozesse entsprechend dieser Auswertung anzupassen ist auch Form von Wissensmanagement. Das muss ich zeitnah machen, nicht nur einmal im Jahr.

Und diese Gelegenheiten sollte man nutzen. Richtig gute Firmen machen das und vermeiden es so, Fehler zu wiederholen.

Haben Sie nun noch konkrete Tipps dafür, wie man Wissen dokumentieren und strukturieren sollte?

Das wichtigste ist zunächst: Anfangen. „Tun“ sind die drei Buchstaben des Erfolges. 

Mit dem Problem anfangen: nach Projektabschluss überlegen: was habe ich daraus gelernt? Wie haben wir das Problem gelöst? Ganz wichtig dabei: Aufschreiben. Wer aufschreibt, denkt doppelt. Gerne auch mit Fotos und Videos dokumentieren. 

Das sollte man nach jedem Projekt machen. Oder immer, wenn ein Fehler passiert ist. 

Und wenn ich ein Problem habe, im Wissensmanagement-System aber keine Lösung dafür finde, dann suche ich jemanden, der sich darum kümmert. 

Chefs müssen dafür Zeit einräumen: Mitarbeiter sollten Zeit investieren, um Probleme aufzubereiten und um zu dokumentieren. Das muss vom Unternehmer her gewollt sein!  Es geht darum, Raum zu schaffen für Reflexion: Was können wir aus der Geschichte des Projektes ernten, was können wir lernen? Wir haben gesät, gedüngt und gegossen, alles scheint in Ordnung. Was ernten wir nun daraus für das Handeln in künftigen Projekten?

Ein Tool ohne Konzept ist sinnlos

Wie kann ein Unternehmen das Wissen nun optimal strukturieren?

Hier würde ich jedem Kunden etwas anderes empfehlen, denn für jedes Unternehmen und jeden Kunden ist etwas anderes das richtige.

Allgemein kann man sagen: Es ist nicht die beste Idee, sich zuerst die Struktur zu überlegen. Das schränkt zu sehr ein.

Ein guter Anfang ist es vielmehr, das Wissen nach Projekten zu strukturieren. Sie fangen damit an, Problemartikel zu verschlagworten, zu kategorisieren und iterativ, also schrittweise zu ergänzen. Uns Menschen liegt es sehr, iterativ zu arbeiten.

Kann künstliche Intelligenz dabei helfen?

Ich habe mich bereits 1992 mit sogenannter Künstlicher Intelligenz (KI) beschäftigt. In manchen Situationen hilft es vielleicht – es ist aber den Zeitaufwand nicht wert. Ich bin offen für Ideen, sehe aber im Moment kein großes Potential.

„Maybe it wasn’t a good idea to teach sand to think.“

Selbst High-End Statistik kann nicht kreativ denken und strukturieren. Sie kann zwar Muster erkennen, das können solche Systeme gut. Sie tut sich aber schwer damit, kreativ zu werden. 

Deshalb sehe ich einen produktiven Einsatz künstlicher Intelligenz bei Wissensmanagement derzeit eher nicht. Im Moment  sehe ich mehr Nutzen darin, dass Menschen sich mit Wissen beschäftigen, damit sie es selber präsent haben. Wie beim Spickzettel schreiben für Prüfungen.

Denn das Denken an den Rechner abzugeben ist nicht clever. Bei Routinetätigkeiten finde ich es in Ordnung; hier konzentrieren wir uns auf die Dinge, die sofort Nutzen bringen. Langfristig ist das aber nicht unbedingt das Richtige. 

Wozu braucht es für Wissensmanagement überhaupt spezielle Werkzeuge? Reichen nicht Word und Excel?

Natürlich kann ich es auch mit Papier und Stift machen. Oder ich nehme ein Tool, das es mir erleichtert, das mir ein paar Arbeiten abnimmt. Für einen Menschen alleine ist die Toolfrage in der Regel egal. In einer Firma solltest Du jedoch nicht „alleine“ arbeiten – das Risiko des Wissensverlusts ist zu groß.

Als Kunde erwarte ich von einer Firma, dass sie eine gewisse Unabhängigkeit von einzelnen Menschen hat. Ich möchte zu Recht davon ausgehen, dass sie redundant arbeitet. Dafür brauche ich eine Plattform, auf der die Mitarbeiter auf einem ähnlichem Wissensniveau agieren. Ich möchte nicht, dass es nur eine einzige Person gibt, die bestimmte Tätigkeiten ausüben kann. 

Die Entscheidung für ein gutes Werkzeug erleichtert die Redundanz. Ich pflege ein gemeinsames Notizbuch mit guter Struktur. Ich kann es Menschen erleichtern, Dinge zu strukturieren. In Word und Excel braucht das eine Menge Zeit und Energie. Tabellenkalkulationen oder Textverarbeitungen sind dafür nicht geschaffen. Das ist reine Energieverschwendung. Die so, mit hohem Aufwand geschaffene Struktur in Excel hat keinen Mehrwert, nur der Inhalt. 

Ein gutes, spezialisiertes Tool erleichtert es, sich auf die Inhalte zu konzentrieren und Mehrwert zu schaffen.

Herr Schubert, dann hoffe ich, dass viele Unternehmen aus Ihren Erfahrungen Nutzen ziehen können. 

Vielen Dank für das Gespräch!

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